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Isabelle Gronemeyer, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht

Verurteilung eines Augenarztes mit körperlichen Einschränkungen wegen gefährlicher Körperverletzung

In einem Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Az.: 205 StRR 8/24) vom 19. März 2024 wurde ein Augenarzt wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Der Fall dreht sich um die Frage, ob ein Arzt, der aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht in der Lage ist, chirurgische Instrumente ordnungsgemäß zu verwenden, strafrechtlich belangt werden kann. Konkret geht es darum, ob ein Skalpell und eine Schere als gefährliche Werkzeuge zu qualifizieren sind, wenn diese von einem körperlich eingeschränkten Arzt genutzt werden.

Ursache und Entwicklung des medizinischen Falls

Der Fall begann im Jahr 2009, als ein Augenarzt aus dem Allgäu einen schweren Schlaganfall erlitt. Trotz intensiver Rehabilitationen litt der Arzt weiterhin an tiefensensorischen Störungen, motorischen Einschränkungen und einer Apraxie, einer Störung der Bewegungsplanung. Diese Einschränkungen beeinträchtigten seine Fähigkeit, präzise und sichere chirurgische Eingriffe durchzuführen. Dennoch entschied der Arzt, ab 2011 wieder Operationen am Auge durchzuführen.

Im Zeitraum von 2011 bis 2016 operierte der Arzt insgesamt etwa 3.900 Patienten. Dabei nutzte er chirurgische Instrumente wie Skalpell und Schere, ohne seine Patienten über seine körperlichen Einschränkungen aufzuklären. Die Patienten gingen davon aus, dass sie von einem voll funktionsfähigen und gesunden Arzt operiert würden. Bei dem absoluten Großteil der Operationen waren auch keine bzw. nur geringe, erwartbare negative Folgen (z. B. gerötete Augen) festzustellen.

Die körperlichen Einschränkungen des Arztes waren jedoch so schwerwiegend, dass er selbst nach mehreren Jahren der Rehabilitation weiterhin Probleme mit der Feinmotorik und der Tiefensensibilität hatte. Einige Patienten, die von diesem Arzt operiert wurden, erlitten verschiedene Verletzungen, die teilweise dauerhafte Schäden zur Folge hatten. Ein besonders schwerwiegender Fall betraf eine Patientin, die nach der Operation erblindete.

Einige dieser stark betroffenen Patienten reichten Klage ein, und der Fall wurde zunächst vor dem Amtsgericht und später vor dem Landgericht Kempten verhandelt. Beide Gerichte verurteilten den Arzt wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Da die Staatsanwaltschaft jedoch der Meinung war, dass es sich um gefährliche Körperverletzung handelte, ging der Fall in Revision und landete schließlich vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht.

Urteilsbegründung des Gerichts

Das Bayerische Oberste Landesgericht bestätigte die Ansicht der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Arzt wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Das Gericht stellte fest, dass sowohl das Skalpell als auch die Schere als gefährliche Werkzeuge einzustufen seien, da der Arzt aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen nicht in der Lage war, diese Instrumente ordnungsgemäß und sicher zu verwenden.

In seiner Urteilsbegründung führte das Gericht aus, dass ein gefährliches Werkzeug jeder Gegenstand sei, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Verwendung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen. Ein Skalpell und eine Schere seien in diesem Fall gefährliche Werkzeuge, da der Arzt aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen nicht in der Lage war, die Instrumente fachgerecht zu führen. Dies habe zu erheblichen Verletzungen der Patienten geführt.

Das Gericht betonte, dass die körperlichen Einschränkungen des Arztes und seine Kenntnis darüber eine erhebliche Rolle bei der Entscheidung spielten. Der Arzt wusste um seine Einschränkungen und die daraus resultierenden Gefahren für seine Patienten, unterließ es jedoch, diese aufzuklären. Dadurch fehlte es an einer wirksamen Einwilligung der Patienten in die Operationen.

Die Entscheidung des Gerichts zeigt, dass Ärzte verpflichtet sind, ihre Patienten umfassend über alle relevanten Umstände aufzuklären, die für die Durchführung einer medizinischen Behandlung von Bedeutung sind. Dazu gehören auch persönliche Einschränkungen, die die Sicherheit und den Erfolg der Behandlung beeinträchtigen könnten. Die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung unterstreicht die Verantwortung, die Ärzte für das Wohlergehen ihrer Patienten tragen.

Rechtsanwältin Gronemeyer aus Essen steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unsere Kanzlei kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Medizinstrafrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.

 

Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie spezifische Fragen oder Anliegen haben, wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 19. März 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.

Strafverteidigern & Rechtsanwältin

Werdegang

Zur Person & Rechtsanwältin Isabelle Gronemeyer

Isabelle Gronemeyer (Strafverteidigung Essen)
Studium
  • 2006-2010 Studium der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum mit Schwerpunktbereich Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie
  • 2011 Erstes Staatsexamen am OLG Düsseldorf
Referendariat
  • 2011-2013 Landgerichtsbezirk Bochum
  • Arzthaftungskammer (Zivilstation)
  • Staatsanwaltschaft Bochum
  • Kreispolizeibehörde Mettmann (Verwaltungsstation)
  • Anwaltsstation bei renommierter Kanzlei für Strafverteidigung
  • Staatsanwaltschaft Bochum, Dezernat für Kapitaldelikte (Wahlstation)
Anwaltschaft
  • 2013 Zweites Staatsexamen am Justizministerium NRW
  • 2013 Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  • 2014 Rechtsanwaltskanzlei Isabelle Gronemeyer
  • 2017 Fachanwältin für Strafrecht
  • Mitglied im FORUM Junge Anwaltschaft des Deutschen Anwaltvereins

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