Am 21. Februar 2025 entschied das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg über einen Fall (Az.: VfGBg 32/22), der die Grenzen polizeilicher Durchsuchungen und den Schutz der Privatsphäre thematisierte. Es ging um die Verfassungsbeschwerde eines Mieters eines Ferienbungalows, der sich gegen eine Durchsuchung und Beschlagnahme seiner Überwachungskameras wehrte. Erfahren Sie in diesem Blogartikel der Kanzlei Gronemeyer, wie das Verfassungsgericht bezüglich der Grundrechtsverletzung entschieden hat.
Die Vorgeschichte: Überwachungskameras im Ferienbungalow
Der Beschwerdeführer, Herr P., war Mieter eines Ferienbungalows in Brandenburg. An den Außenwänden des Bungalows hatte er mehrere Überwachungskameras installiert. Diese Installation führte zu Spannungen zwischen ihm und seinem Vermieter, die schließlich in einem Gerichtstermin vor dem Amtsgericht Potsdam im September 2021 gipfelten. Nach dem Gerichtstermin fand eine Ortsbesichtigung am Bungalow statt, bei der auch die Überwachungskameras in Augenschein genommen wurden. Anwesend waren Herr P., sein Vermieter sowie die Rechtsanwälte beider Parteien.
Während der Besichtigung kam die Frage auf, ob die Kameras auch Tonaufnahmen machen könnten. Herr P. verwies auf einen Aufkleber mit der Aufschrift „24/7 Monitoring by eufy security“ und erklärte, dass die Aufnahmen nicht heimlich seien. Die Rechtsanwältin des Vermieters erstattete daraufhin Strafanzeige wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB). Sie behauptete, dass die Kameras möglicherweise Gespräche von Passanten und Nachbarn aufzeichnen könnten, da sie nur etwa sechs Meter von den Nachbarbungalows und einem öffentlichen Weg entfernt angebracht waren.
Die Staatsanwaltschaft Potsdam leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren ein und beantragte eine Durchsuchung des Bungalows sowie die Beschlagnahme der Kameras und zugehöriger Aufzeichnungsgeräte. Ziel war es, die genaue Funktionsweise der Kameras, insbesondere ihre Fähigkeit zur Tonaufzeichnung, zu klären. Der zuständige Ermittlungsrichter zögerte zunächst und versuchte, Informationen direkt vom Kamerahersteller zu erhalten, jedoch ohne Erfolg. Schließlich ordnete das Amtsgericht Potsdam am 26. Januar 2022 die Durchsuchung an.
Am 12. Mai 2022 wurde die Durchsuchung durchgeführt, bei der zehn Überwachungskameras und eine Basisstation sichergestellt wurden. Das Ermittlungsverfahren gegen Herrn P. wurde später, am 27. Januar 2023, mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Die beschlagnahmten Kameras und die Basisstation erhielt Herr P. im März 2023 zurück, und im Oktober 2023 wurde ihm eine Entschädigung gewährt.
Herr P. legte gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung Beschwerde ein. Er argumentierte, dass der Tatverdacht unzureichend sei und die Durchsuchung unverhältnismäßig und ungeeignet gewesen sei. Das Landgericht Potsdam wies die Beschwerde zurück, änderte jedoch den Tatvorwurf dahingehend ab, dass Herr P. möglicherweise die Vertraulichkeit des nichtöffentlich gesprochenen Wortes der Anzeigenerstatter während des Ortstermins verletzt habe. Herr P. legte daraufhin eine Gegenvorstellung ein, die ebenfalls abgewiesen wurde.
Verfassungsgericht urteilt: War die Durchsuchung verfassungskonform?
Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg entschied, dass der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Potsdam das Grundrecht von Herrn P. auf Unverletzlichkeit der Wohnung verletzte. Der Beschluss sei verfassungswidrig, weil er den Tatvorwurf nicht präzise genug umschrieb und die Maßnahme daher unverhältnismäßig war. Eine spätere Korrektur der Begründung durch das Landgericht konnte diesen Mangel nicht heilen.
Das Gericht betonte, dass ein Durchsuchungsbeschluss den Tatvorwurf so präzise wie möglich beschreiben muss, um den Eingriff kontrollierbar zu machen. Der vom Amtsgericht angenommene Verdacht, dass die Kameras Gespräche von Passanten aufzeichnen könnten, genügte nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Zudem sei die Durchsuchung unverhältnismäßig gewesen, da für eine Strafbarkeit nach § 201 StGB bei zufälligen Passanten in der Regel deren Strafantrag erforderlich wäre, der hier fehlte.
Das Verfassungsgericht stellte fest, dass Mängel bei der richterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs im Durchsuchungsbeschluss im Beschwerdeverfahren nicht geheilt werden können. Der Austausch des Tatvorwurfs durch das Landgericht, um die Maßnahme nachträglich zu rechtfertigen, sei unzulässig. Das Land Brandenburg wurde dazu verurteilt, Herrn P. die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.
Fazit
Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung präziser richterlicher Anordnungen und den Schutz der Privatsphäre vor unverhältnismäßigen staatlichen Eingriffen. Sie zeigt, dass Durchsuchungen nur auf Basis konkreter und präziser Verdachtsmomente rechtmäßig sind und dass eine ungenaue Beschreibung des Tatvorwurfs zur Verfassungswidrigkeit der gesamten Maßnahme führen kann.
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Dieser Artikel dient nur zur Information und stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie spezifische Fragen oder Anliegen haben, wenden Sie sich bitte an einen Rechtsanwalt.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 21. Februar 2025, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.