Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 18. April 2024 (1 StR 106/24) eine Entscheidung gefällt, die sich mit dem verbotenen Besitz von Cannabis und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis befasst. Der Fall ist besonders interessant, da das Gericht in seinem Beschluss den Richtwert für eine ”nicht geringe Menge” Cannabis nach dem neuen Konsumcannabisgesetz festgelegt hat und einige Fragen geklärt wurden, die mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes aufkamen.
Die Entscheidung aus dem Betäubungsmittelstrafrecht wurde im Zuge einer Revision eines Urteils des Landgerichts Ulm vom 18. Dezember 2023 getroffen. Der Fall betrifft zwei Angeklagte, die als „Gärtner“ in einer groß angelegten Indoor-Marihuanaplantage arbeiteten.
Details zur Marihuanaplantage und den Angeklagten
Die Angeklagten, nennen wir sie A und M, lebten und arbeiteten seit dem 24. März 2023 in einer Indoor-Marihuanaplantage. Diese Plantage wurde von einer überregional tätigen Bandenorganisation in einer eigens angemieteten, ehemaligen Industrieimmobilie eingerichtet. Die Immobilie umfasste zwei Stockwerke, die für den Anbau von Cannabispflanzen ausgestattet waren. Zu den Aufgaben von A und M gehörten die händische Bewässerung der Pflanzen, die Versorgung mit Dünger und der Betrieb der Lüftungs- und Wärmeanlagen. Diese Arbeiten führten sie gegen ein Monatsentgelt von 1.000 Euro sowie freie Kost und Logis durch.
Die Plantage war technisch hoch ausgestattet: 67 Lüfter, 68 Kohlefilter und 447 Stromverteiler kamen zum Einsatz. Zudem gab es 447 Hochleistungslampen, um das Wachstum der Pflanzen zu fördern. Um den hohen Stromverbrauch zu verbergen, wurden zwei der drei Phasen des Stromzählers abgetrennt, sodass der Verbrauch nur teilweise erfasst wurde. A und M waren zudem dafür verantwortlich, dritten Personen und Fahrzeugen die Ein- und Ausfahrt in die Plantage zu ermöglichen.
Am 24. Mai 2023 führte die Polizei eine Durchsuchung der Plantage durch und fand über 1.763 Cannabispflanzen. Diese ergaben insgesamt mindestens 160 kg Marihuana mit einem THC-Gehalt von 22.105 g. Die Angeklagten wussten, dass das produzierte Marihuana für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war.
Das Landgericht Ulm verurteilte A und M wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu jeweils vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe.
Neue Strafzumessung durch den BGH im Licht des KCanG
Der Bundesgerichtshof überprüfte das Urteil des Landgerichts Ulm und stellte fest, dass die Strafzumessung neu zu bewerten sei. Hintergrund ist das Inkrafttreten des neuen Konsumcannabisgesetzes (KCanG) am 1. April 2024, das für Cannabis an die Stelle des bisherigen Betäubungsmittelgesetzes getreten ist. Das KCanG sieht für den verbotenen Besitz von Cannabis und das Handeltreiben mit Cannabis andere Strafrahmen vor als das vorherige Gesetz.
Nach den neuen Bestimmungen des KCanG wurde der Schuldspruch der Angeklagten angepasst. Sie wurden nun wegen verbotenen Besitzes von mehr als drei lebenden Cannabispflanzen in Tateinheit mit Beihilfe zum verbotenen Handeltreiben mit Cannabis verurteilt. Die für die Verurteilung relevanten Feststellungen des Landgerichts blieben dabei bestehen.
Ein wesentlicher Punkt der Entscheidung des BGH war die Neubestimmung des Grenzwertes für eine nicht geringe Menge gemäß § 34 Abs. 3 des KCanG. Der Grenzwert wurde auf 7,5 g THC festgelegt. Dieser Wert knüpft an die bisherige Rechtsprechung an, die den Grenzwert für nicht geringe Mengen von Betäubungsmitteln nach dem Wirkstoffgehalt und nicht nach der reinen Menge des Marihuanas bestimmt.
Da das neue Gesetz für die betreffende Straftat einen gegenüber der bisherigen Rechtslage niedrigeren Strafrahmen vorsieht, wurde das Urteil im Strafausspruch aufgehoben und zur erneuten Strafbemessung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Dies bedeutet, dass die Angeklagten zwar weiterhin verurteilt sind, jedoch die Höhe der Strafe neu festgelegt werden muss.
Der Bundesgerichtshof betonte, dass die neuen Regelungen des KCanG eine niedrigere Strafwürdigkeit von Cannabisdelikten im Vergleich zu anderen Betäubungsmitteln ausdrücken. Diese geänderte Bewertung muss bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.
Zusammenfassend zeigt dieser Fall, dass die rechtliche Bewertung von Cannabisdelikten in Deutschland einem Wandel unterliegt. Das neue Konsumcannabisgesetz bringt Änderungen mit sich, die sowohl die Strafrahmen als auch die Grenzwerte für eine nicht geringe Menge betreffen. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Strafzumessung in laufenden Fällen und wird auch zukünftige Entscheidungen prägen.
Rechtsanwältin Gronemeyer aus Essen steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unsere Kanzlei kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Betäubungsmittelrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.
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Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 18. April 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.