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Isabelle Gronemeyer, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht

Gesichtstattoo: Dauerhafte Entstellung und schwere Körperverletzung

Am 10. April 2025 hat der Bundesgerichtshof im Verfahren 4 StR 495/24 entschieden, dass ein gegen den Willen des Opfers angebrachtes Gesichtstattoo mit dem Wort FUCK eine erhebliche und dauerhafte Entstellung darstellen kann und damit eine schwere Körperverletzung vorliegt. In diesem Artikel der Kanzlei Gronemeyer aus Essen erfahren Sie, worum es in dem Fall ging, wie es zur Entscheidung kam und warum die Frage nach einer möglichen Laserbehandlung am Ergebnis nichts ändert.

 

Ein Zahlendreher mit Folgen

Ausgangspunkt war eine Tätowierung auf dem Fingerrücken. Ein Mann hatte einem Bekannten auf dessen Wunsch eine Zahlenkombination gestochen. Gewünscht war 1312, gestochen wurde aber versehentlich 1213. Beide sind keine gelernten Tätowierer. Der spätere Angeklagte sah in dem Fehler kein Missverständnis, sondern ein Vergehen, das sichtbar bestraft werden sollte. 

 

Er kündigte an, den Tätowierer im Gesicht zu tätowieren und wählte bewusst eine Stelle, die im Alltag sofort auffällt. Er entschied sich für das im allgemeinen Sprachgebrauch als anstößig empfundene Wort FUCK und brachte es gegen den Willen des Mannes oberhalb der rechten Augenbraue an. Die Tätowierung war etwa 1,5 mal 4,5 Zentimeter groß. Das F war stärker ausgeführt, die übrigen Buchstaben feiner. Der Betroffene hatte zuvor keine Tätowierungen im Gesicht. Er schämte sich seitdem, änderte seinen Haarschnitt, damit die Haare in die Stirn fallen und den Schriftzug verdecken. Eine Laserentfernung war grundsätzlich möglich, aber langwierig und schmerzhaft, es wären mehrere Sitzungen in größeren Abständen nötig gewesen. 

 

Nach den Feststellungen fehlte dem Betroffenen das Geld für eine solche Behandlung. Wenige Tage später kam es zu weiteren Übergriffen. Der Angeklagte suchte den Mann erneut auf und gemeinsam mit einer weiteren Person kam es zu Schlägen und Tritten, die als potenziell lebensbedrohlich bewertet wurden. Außerdem ließ der Angeklagte dem Mann ausrichten, er werde ihn umbringen, falls er die Polizei informiere. Das Landgericht Bochum verurteilte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Eine schwere Körperverletzung verneinte das Landgericht für das Gesichtstattoo. Es sah die Sichtbarkeit zwar als gegeben an, hielt die Beeinträchtigung aber nicht für mit den anderen schweren Folgen des Gesetzes vergleichbar und verwies zudem auf die Möglichkeit, den Schriftzug mit den Haaren zu verdecken. Gegen dieses Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte Revision ein. Die Staatsanwaltschaft begehrte eine Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung im Zusammenhang mit der Tätowierung. Der Angeklagte wandte sich gegen die rechtliche Bewertung in weiteren Punkten.

 

Der BGH bejaht die erhebliche und dauerhafte Entstellung

Der Bundesgerichtshof änderte den Schuldspruch in dem Tattoo-Fall ab und stellte klar, dass die Gesichtstätowierung eine schwere Körperverletzung darstellt. Maßgeblich war der Tatbestand der erheblichen und dauerhaften Entstellung. Entstellung bedeutet, dass sich das äußere Erscheinungsbild so verändert, dass der Mensch in der Wahrnehmung seiner Umwelt verunstaltet wirkt. Erheblich ist die Entstellung, wenn sie vom Gewicht her an die anderen schweren Folgen wie etwa den Verlust eines Körperteils heranreicht. Dauerhaft ist sie, wenn sie auf unbestimmte Zeit fortbesteht. 

 

Der BGH hob hervor, dass eine Tätowierung grundsätzlich eine körperliche Misshandlung ist, weil die Haut durchstochen und Farbe eingebracht wird, eine auffällige Tätowierung im Gesicht verändere das Aussehen massiv. Im konkreten Fall verstärkte der Inhalt des Wortes die Wirkung. Ein großer Teil der Bevölkerung empfinde FUCK als anstößig. Das führe zu Stigmatisierung und damit zu einer Entstellung im rechtlichen Sinne. Dass der Betroffene seine Haare in die Stirn fallen lässt, ändere nichts. Eine Verunstaltung bleibt rechtlich relevant, auch wenn sie im Alltag zeitweise verdeckt werden kann, es gibt genug Situationen, in denen eine Verdeckung nicht funktioniert. 

 

Entscheidend ist zudem der Zeitpunkt der ersten gerichtlichen Entscheidung. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Betroffene keine Laserbehandlung begonnen, und es war nicht absehbar, dass er sie sich leisten konnte oder wollte. Deshalb war die Entstellung rechtlich dauerhaft. Der Umstand, dass eine kosmetische Beseitigung denkbar wäre, nimmt der Tat nicht ihren Charakter als schwere Körperverletzung. Es kommt nicht darauf an, ob der Geschädigte sich einer belastenden und teuren Behandlung unterzieht. Der BGH bejahte außerdem, dass der Angeklagte die schwere Folge absichtlich herbeigeführt hat. Absicht bedeutet hier, dass es dem Täter genau darauf ankam. Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte seinen Bekannten durch eine sichtbare, stigmatisierende Wortbotschaft im Gesicht bestrafen. 

 

Konsequenz der Entscheidung war, dass der Schuldspruch wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung ausgesprochen und die verhängte Einzelstrafe in diesem Fall sowie die Gesamtstrafe aufgehoben wurden. Das Verfahren wurde zur neuen Entscheidung über die Strafe an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Im Übrigen befasste sich der BGH mit der rechtlichen Einordnung der Drohung. Nach einer Beschränkung der Verfolgung änderte er den Schuldspruch in diesem Punkt auf versuchte Nötigung ab. Die Fragen zur Konkurrenz zwischen Nötigung und Bedrohung mussten im Ergebnis nicht entschieden werden. Am Strafausspruch für diesen Teil änderte sich nichts.

 

Was Betroffene aus dem Urteil mitnehmen sollten

Wer eine Person gegen ihren Willen tätowiert, greift erheblich in deren körperliche und persönliche Integrität ein. Erfolgt dies im Gesicht und mit einem anstößigen Schriftzug, kann das als erhebliche und dauerhafte Entstellung gelten und eine schwere Körperverletzung begründen. Dass eine Laserentfernung theoretisch möglich ist oder dass die Stelle vorübergehend verdeckt wird, ändert daran im Grundsatz nichts. Für Betroffene bedeutet das, dass sie ihre Rechte konsequent geltend machen sollten. Für Beschuldigte zeigt der Fall, dass das Strafbarkeitsrisiko erheblich ist. Wenn Sie eine ähnliche Konstellation betrifft, beraten wir Sie in der Kanzlei Gronemeyer aus Essen gern zu Ihren Optionen und zur weiteren Vorgehensweise.

 

Dieser Blog-Beitrag dient ausschließlich zu Informationszwecken und ersetzt keine rechtliche Beratung. Für individuelle Fragen oder Anliegen empfehlen wir, einen qualifizierten Rechtsanwalt zu konsultieren.

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 10. April 2025, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichts.

 

Strafverteidigern & Rechtsanwältin

Werdegang

Zur Person & Rechtsanwältin Isabelle Gronemeyer

Isabelle Gronemeyer (Strafverteidigung Essen)
Studium
  • 2006-2010 Studium der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum mit Schwerpunktbereich Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie
  • 2011 Erstes Staatsexamen am OLG Düsseldorf
Referendariat
  • 2011-2013 Landgerichtsbezirk Bochum
  • Arzthaftungskammer (Zivilstation)
  • Staatsanwaltschaft Bochum
  • Kreispolizeibehörde Mettmann (Verwaltungsstation)
  • Anwaltsstation bei renommierter Kanzlei für Strafverteidigung
  • Staatsanwaltschaft Bochum, Dezernat für Kapitaldelikte (Wahlstation)
Anwaltschaft
  • 2013 Zweites Staatsexamen am Justizministerium NRW
  • 2013 Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  • 2014 Rechtsanwaltskanzlei Isabelle Gronemeyer
  • 2017 Fachanwältin für Strafrecht
  • Mitglied im FORUM Junge Anwaltschaft des Deutschen Anwaltvereins

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