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Isabelle Gronemeyer, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht

Beschleunigtes Verfahren: Protokoll ersetzt keinen Eröffnungsbeschluss

Wie streng sind Fristen im beschleunigten Strafverfahren und was passiert, wenn in der Akte kein Eröffnungsbeschluss liegt, im Protokoll aber davon die Rede ist? Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines Beschlusses des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 07.04.2025 (Az. 203 StRR 59/25). In diesem Artikel der Kanzlei Gronemeyer aus Essen erfahren Sie, wie das Gericht den Fall einer Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis rechtlich eingeordnet hat und warum die Revision letztlich erfolglos blieb.

 

Wie aus einer Frist ein vermeintlicher Formfehler wurde

Ausgangspunkt war ein für die Betroffene einschneidender Vorwurf: vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis. Die Staatsanwaltschaft entschied sich für das beschleunigte Verfahren, also eine Art Schnellspur im Strafprozess für klare und überschaubare Fälle. Der entsprechende Antrag ging am 27. März 2024 beim Amtsgericht ein.

 

Das Amtsgericht setzte mit Verfügung vom 29. April 2024 den Hauptverhandlungstermin auf den 18. Juni 2024 fest. Damit lag der Termin deutlich später als sechs Wochen nach Antragseingang, was die Verteidigung später zum zentralen Punkt ihrer Argumentation machte. In der Verhandlung am 18. Juni 2024 wurde die Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

 

Gegen dieses Urteil legten sowohl die Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein, jeweils von Anfang an beschränkt auf die Rechtsfolgen. Das Landgericht Nürnberg-Fürth verwarf beide Berufungen am 17. Oktober 2024 als unbegründet und ordnete zusätzlich eine isolierte Sperrfrist von einem Jahr für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis an. Das schriftliche Urteil wurde dem Verteidiger am 26. November 2024 zugestellt.

 

Im nächsten Schritt wählte die Verteidigung den Weg der Revision. Zunächst wurden im Dezember 2024 sogenannte Sachrügen vorgebracht, also Angriffe auf die inhaltliche Richtigkeit des Urteils. Erst am 18. Februar 2025 machte die Verteidigung dann ein Verfahrenshindernis geltend: In der Niederschrift der erstinstanzlichen Hauptverhandlung finde sich der Hinweis, die Anklage sei durch Eröffnungsbeschluss vom 29. April 2024 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen worden. Ein solcher Beschluss war jedoch in der Akte nicht vorhanden.

 

Daraus leitete die Verteidigung eine Kette von Schlüssen ab. Weil die Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren später als sechs Wochen nach Antragseingang stattfand, habe das Amtsgericht das beschleunigte Verfahren konkludent, also stillschweigend, abgelehnt. Ein solcher stiller Wechsel ins normale Verfahren hätte einen formellen Eröffnungsbeschluss zwingend notwendig gemacht. Da ein Beschluss in der Akte fehlte, sei das Verfahren insgesamt unwirksam gewesen. Der protokollierte Hinweis auf einen Eröffnungsbeschluss sollte diese Sicht stützen.

 

Zentral für das Verständnis dieser Strategie sind zwei Begriffe: Der Eröffnungsbeschluss ist im normalen Strafverfahren die formale Entscheidung, dass die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wird. Im beschleunigten Verfahren ist ein solcher Beschluss nicht vorgeschrieben; hier genügt die Terminierung, weil das Verfahren gerade besonders zügig verlaufen soll. Außerdem ist wichtig, zwischen einem einfachen Verfahrensfehler und einem Verfahrenshindernis zu unterscheiden. Ein Verfahrensfehler muss frist- und formgerecht gerügt werden, damit er überhaupt Berücksichtigung findet. Ein Verfahrenshindernis hingegen wird von Gerichten von Amts wegen beachtet und kann das Verfahren jederzeit zu Fall bringen.

 

Die Staatsanwaltschaft beantragte am 4. Februar 2025, die Revision als unbegründet zu verwerfen. Aus ihrer Sicht könne der Protokolleintrag einen fehlenden Aktenbeschluss nicht ersetzen, und die bloß verspätete Terminierung bewirke keinen automatischen Wechsel der Verfahrensart.

 

Warum Fristversäumnis und Protokolleintrag das Urteil nicht kippen

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat die Revision verworfen und die wesentlichen Streitpunkte klar geordnet.

 

Erstens sah das Gericht in der Überschreitung der Sechs-Wochen-Frist des beschleunigten Verfahrens keinen stillschweigenden Wechsel in das normale Verfahren. Die zeitliche Vorgabe dient als Soll-Vorschrift. Sie ist damit eine Zielvorgabe, deren Überschreitung für sich genommen noch keinen Automatismus auslöst. Wenn ein Gericht das beschleunigte Verfahren ablehnen will, muss es das ausdrücklich tun und einen Ablehnungsbeschluss erlassen. Ein solcher Beschluss lag hier unstreitig nicht vor. Allein die späte Terminierung ändert die Verfahrensart also nicht.

 

Zweitens stellte das Gericht klar, dass der Verhandlungsvermerk keinen außerhalb der Hauptverhandlung gefassten Beschluss ersetzen kann. Das Protokoll beweist, was in der Hauptverhandlung tatsächlich geschah, nicht aber, dass außerhalb der Sitzung ein bestimmter Beschluss existiert. Der im Protokoll vermerkte Eröffnungsbeschluss fand sich in der Akte nicht und war tatsächlich nicht ergangen. Ein Protokolleintrag kann eine fehlende Aktenlage nicht herbeizaubern. Daraus folgt: Weder lag ein Wechsel ins normale Verfahren vor, noch war ein Eröffnungsbeschluss erforderlich.

 

Drittens ordnete das Gericht die Fristüberschreitung rechtlich als Verfahrensfehler ein, nicht als zwingendes Verfahrenshindernis. Das hat große praktische Bedeutung: Ein Verfahrensfehler muss innerhalb der Revisionsbegründungsfrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils und zudem in einer besonderen Form geltend gemacht werden. Erforderlich ist eine genau ausgearbeitete Verfahrensrüge, die den Ablauf, den konkreten Mangel und seine Bedeutung für das Urteil nachvollziehbar darlegt. In diesem Fall war eine solche formgerechte Rüge nicht rechtzeitig erhoben worden. Die spätere Beanstandung im Februar 2025 kam deutlich nach Fristablauf und konnte die Revision nicht mehr stützen.

 

Neben diesen prozessualen Fragen prüfte das Gericht das Urteil auch auf inhaltliche Fehler. Es fand keinen durchgreifenden Rechtsfehler. Die Revision blieb daher insgesamt ohne Erfolg, und die Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

 

Für die Praxis ergeben sich zwei Kernbotschaften. Erstens führt eine verspätete Terminierung im beschleunigten Verfahren nicht automatisch in das normale Verfahren. Zweitens können selbst erkennbare Fehler nur dann wirksam angegriffen werden, wenn sie rechtzeitig und präzise gerügt werden. Wer eine Revision plant, muss deshalb frühzeitig die formalen Anforderungen im Blick behalten.

 

Worauf Betroffene im beschleunigten Verfahren achten sollten

Das Urteil zeigt, dass im beschleunigten Verfahren nicht jede Fristüberschreitung das gesamte Verfahren zu Fall bringt. Ein Wechsel ins normale Verfahren setzt eine ausdrückliche gerichtliche Entscheidung voraus, und ein Protokolleintrag ersetzt keinen fehlenden Aktenbeschluss. Entscheidend ist, ob ein etwaiger Fehler rechtzeitig und korrekt gerügt wird. Wer eine Verfahrensfrage im Revisionsverfahren geltend machen will, muss die Monatsfrist sowie die strengen Formanforderungen unbedingt einhalten.

 

Wenn Sie den Eindruck haben, dass in Ihrem Strafverfahren Fristen nicht eingehalten oder formale Schritte übergangen wurden, sollten Sie frühzeitig fachkundigen Rat einholen. Die Kanzlei Gronemeyer aus Essen unterstützt Sie dabei, die richtige Verfahrensstrategie zu wählen, Fristen sicher zu wahren und Ihre Rechte effektiv durchzusetzen.

 

Dieser Blog-Artikel dient ausschließlich Informationszwecken und ersetzt keine Rechtsberatung. Sollten Sie konkrete Fragen oder Anliegen haben, konsultieren Sie bitte stets einen qualifizierten Rechtsanwalt.

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 07.04.2025, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichts.

 

Strafverteidigern & Rechtsanwältin

Werdegang

Zur Person & Rechtsanwältin Isabelle Gronemeyer

Isabelle Gronemeyer (Strafverteidigung Essen)
Studium
  • 2006-2010 Studium der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum mit Schwerpunktbereich Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie
  • 2011 Erstes Staatsexamen am OLG Düsseldorf
Referendariat
  • 2011-2013 Landgerichtsbezirk Bochum
  • Arzthaftungskammer (Zivilstation)
  • Staatsanwaltschaft Bochum
  • Kreispolizeibehörde Mettmann (Verwaltungsstation)
  • Anwaltsstation bei renommierter Kanzlei für Strafverteidigung
  • Staatsanwaltschaft Bochum, Dezernat für Kapitaldelikte (Wahlstation)
Anwaltschaft
  • 2013 Zweites Staatsexamen am Justizministerium NRW
  • 2013 Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  • 2014 Rechtsanwaltskanzlei Isabelle Gronemeyer
  • 2017 Fachanwältin für Strafrecht
  • Mitglied im FORUM Junge Anwaltschaft des Deutschen Anwaltvereins

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