Was passiert, wenn sich ein Opfer einer Straftat aktiv als Nebenkläger in ein Strafverfahren einbringt, der Prozess aber durch unerwartete Entwicklungen vorzeitig endet? Ob das Opfer dann trotzdem für seine eigenen Rechtsanwaltskosten aufkommen muss, erfahren Sie in diesem Artikel der Kanzlei Gronemeyer aus Essen. Im Zentrum steht der Beschluss des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 8. April 2025 (Az.: 1 Ws 10/25).
Vom Nebenkläger zur Kostenforderung
Im zugrundeliegenden Fall wurde eine Person Opfer einer Straftat und entschied sich, im Strafverfahren vor dem Landgericht Landau in der Pfalz den Weg der Nebenklage zu gehen. Als Nebenklägerin wollte sie ihre Rechte im Prozess umfassend wahrnehmen und nahm dazu anwaltliche Unterstützung in Anspruch. Eine Nebenklage steht Opfern bestimmter Straftaten zu und verschafft mehr Einfluss im Prozess – etwa mit eigenen Anträgen und dem Recht auf Mitwirkung während der Verhandlung. Doch bevor das Gericht in der Sache entscheiden konnte, trat ein außergewöhnliches Ereignis ein: Der Angeklagte verstarb. Dadurch bestand für das Gericht ein sogenanntes Verfahrenshindernis – also ein rechtliches Ereignis, das eine Fortführung oder ein Urteil im Prozess unmöglich macht. Das Strafverfahren musste folglich eingestellt werden.
Für die Nebenklägerin brachte dies eine neue Unsicherheit: Sie war bereits mit Kosten für ihren Anwalt in Vorleistung getreten und erwartete, dass bei einem erfolgreichen Ausgang (also einer Verurteilung des Angeklagten) zumindest diese Auslagen erstattet werden. Nun jedoch war unklar, wer für die bereits entstandenen Kosten aufkommen musste. Das Landgericht entschied zunächst, dass die nötigen Auslagen, also insbesondere die Anwaltskosten, von der Nebenklägerin selbst zu zahlen seien. Diese Kostenentscheidungen beruhen grundsätzlich auf dem Ergebnis eines Strafprozesses: Wird ein Angeklagter verurteilt, besteht die Möglichkeit der Erstattung. Kommt es hingegen zu einem Freispruch oder – wie hier – zu einer Einstellung des Verfahrens, sind die Kosten meist vom Opfer beziehungsweise Nebenkläger selbst zu tragen.
Mit dieser Entscheidung war die Nebenklägerin nicht einverstanden. Über ihren Anwalt legte sie eine sofortige Beschwerde ein. Doch schon die Frage, ob diese überhaupt rechtzeitig beim Gericht eingegangen war, sorgte für eine zusätzliche juristische Auseinandersetzung. Das Gesetz sieht für die Einlegung einer solchen Beschwerde eine Frist von einer Woche ab Zustellung der Entscheidung vor. Auf dem formellen Empfangsbekenntnis ihres Anwalts war der 17. Dezember als Zugangsdatum eingetragen. Die Beschwerde selbst erreichte das Gericht aber erst am 26. Dezember. Zunächst schien die Frist also überschritten. Doch der Anwalt setzte sich zur Wehr und führte an, dass er tatsächlich erst am 24. Dezember nach einer Auslandsreise das Gerichtsschreiben empfangen und damit erstmals zur Kenntnis nehmen konnte. Als Nachweis reichte er entsprechende Reiseunterlagen ein und bat vorsorglich um Wiedereinsetzung in die versäumte Frist. Der Streit um den tatsächlichen Zugang der gerichtlichen Entscheidung wurde damit ein zusätzlicher Schwerpunkt des Rechtsstreits.
Keine Kostenerstattung: Das OLG Zweibrücken klärt die Voraussetzungen
Das Oberlandesgericht Zweibrücken musste zunächst bewerten, ob die Beschwerde überhaupt rechtzeitig eingegangen war. Für solche Verfahren ist entscheidend, wann der Anwalt oder die Partei das gerichtliche Schreiben tatsächlich erhalten und zur Kenntnis genommen hat. Normalerweise gilt das auf dem Empfangsbekenntnis vom Anwalt angegebene Datum als Zugangstag. Im vorliegenden Fall war dies jedoch nicht so eindeutig. Der Anwalt konnte mithilfe von Reiseunterlagen lückenlos belegen, dass er sich bis einschließlich 24. Dezember im Ausland befand und tatsächlich erst an diesem Tag das Schreiben in Empfang nehmen konnte. Das Gericht akzeptierte diesen Nachweis und sah das Empfangsbekenntnis als widerlegt an. Die Frist zur Beschwerde begann daher erst mit Rückkehr des Anwalts zu laufen.
Die Beschwerde, die am 26. Dezember eingegangen war, war somit fristgerecht. Inhaltlich blieb die Beschwerde jedoch erfolglos. Das OLG stellte klar, dass im deutschen Strafprozessrecht die Erstattung der Anwaltskosten für Nebenkläger nur dann vorgesehen ist, wenn das Verfahren mit einer Verurteilung des Angeklagten endet. Bei einer Einstellung des Strafverfahrens aufgrund eines Verfahrenshindernisses – wie dem Tod des Angeklagten – besteht keine solche Kostenerstattungspflicht. Das Gericht behandelte die Einstellung rechtlich wie einen Freispruch. Die Nebenklägerin musste daher ihre eigenen notwendigen Auslagen, also die Kosten für ihren Anwalt, selbst tragen. Das OLG betonte außerdem, dass keine gesonderte Entscheidung zur Kostenpflicht des Nebenklägers im Beschluss selbst erforderlich ist, da dies direkt aus dem Gesetz folgt. Die Nebenklägerin blieb letztlich auf allen eigenen Kosten sowie den Auslagen des Beschwerdeverfahrens sitzen.
Wichtige Lehren für Nebenkläger im Strafprozess
Das Urteil des OLG Zweibrücken verdeutlicht, dass Nebenkläger auch dann ihre eigenen Anwaltskosten tragen müssen, wenn das Strafverfahren vorzeitig endet – zum Beispiel durch den Tod des Angeklagten. Eine Kostenerstattung gibt es nur nach einer tatsächlichen Verurteilung. Außerdem zeigt der Fall, dass Empfangsbekenntnisse zwar eine hohe Beweiskraft haben, jedoch durch lückenlose Nachweise widerlegt werden können. Wer in einer vergleichbaren Situation Beratung oder Unterstützung benötigt, kann sich jederzeit an erfahrene Kanzleien wie die Kanzlei Gronemeyer aus Essen wenden, um seine rechtlichen Möglichkeiten frühzeitig zu kennen und unnötige Kostenrisiken zu vermeiden.
Dieser Blog-Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und ersetzt keine Rechtsberatung. Für spezifische Fragen oder Anliegen kontaktieren Sie bitte einen qualifizierten Rechtsanwalt.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 8. April 2025, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichts.